Seit Mitte der neunziger Jahre wird darüber diskutiert: über einen digitalen Polizeifunk. In dieser Woche gab es – wieder einmal – eine weitere Verzögerung. Mein Beitrag in der Sendung Computer und Kommunikation dazu ist hier nachlesbar (der Link führt zu der Seite vom Deutschlandfunk). Anbei finden Sie den Text aber auch.
Gebündeltes Funkchaos
Warum der neue digitale Behördenfunk vorerst nicht auf Sendung geht
Von Claudia Sanders
Wahrscheinlich haben deutsche Polizisten es längst aufgegeben, auf eine digitale Zukunft zu hoffen. Für eines ihrer wichtigsten Arbeitsmittel setzten die Behörden nämlich immer noch auf Steinzeit: Die Funkgeräte werden nicht modernisiert und auf den Stand der Zeit gebracht. Zusammen mit ihren albanischen Kollegen müssen deutsche Polizisten weiterhin analog funken, während der Rest in Europa mit moderner Digitaltechnik für Sicherheit sorgt.
Manfred Kloiber: Claudia Sanders, woran liegt das?
Claudia Sanders: Die gesamt Diskussion darum, dass es in Deutschland einen digitalen Polizeifunk, bzw. einen digitalen BOS-Funk, also für alle Organisationen mit Sicherheitsaufgaben geben soll, diese Diskussion gibt es schon seit Mitte der neunziger Jahre. Eines der Hauptprobleme war und sind die Kosten – wie hoch sind sie, und wer übernimmt sie? Müssen die Länder tief in die Tasche greifen oder ist der Bund hier gefragt? Der Streit zog sich über Jahre hin und dann kam im vergangenen Jahr der damalige Bundesinnenminister Otto Schily auf die folgende Idee, die er auch durchsetzte: Der Bund lässt ein so genanntes Rumpfnetz installieren – das können die Länder dann je nach belieben ausbauen. Dieser Auftrag für das Rumpfnetz wurde – übrigens ohne Ausschreibung – an die Deutsche Bahn Tochter DB Telematik vergeben. Sprich: Das Rumpfnetz basiert auf der GSM-R-Netz Technik, die die deutsche Bahn schon anwendet.
In den vergangenen Monaten hatte die Firma DB Telematik immer wieder neue Angebote vorgelegt – Denn eigentlich sollte sich das Auftragsvolumen auf höchstens 4,5 Milliarden Euro belaufen. Doch davon ist nun nicht mehr die Rede, mittlerweile sind es 5,1 Milliarden Euro, die der Bund für dieses Rumpfnetz auf den Tisch legen soll, und das innerhalb der kommenden 15 Jahre. Eine Summe, die allen Beteiligten viel zu hoch erscheint. Als erste haben Brandenburg und Nordrhein-Westfalen angekündigt, das sie das so nicht mittragen wollen. Und jetzt hat auch der zuständige Lenkungsausschuss von Bund und Ländern gesagt: So nicht, wir entziehen den Auftrag – das ist alles viel zu teuer.
Manfred Kloiber: Gab es denn auch technische Gründe?
Claudia Sanders: Ja es gab auch technische Gründe, wobei das auch hier indirekt eine Geldfrage ist. Es geht um die Leistungsstärke des zukünftigen digitalen Netzes. Die Firma DB Telematik hatte eine geringere Leistungsstärke veranschlagt, nämlich nur 150 Milli Erlang – wobei ein Erlang hier die Maßeinheit für die Auslastung der jeweiligen Funkzelle bedeutet. Der Bund hatte aber die Vorgabe gemacht, dass 390 Milli Erlang notwendig seien. Doch je höher die Kapazität – so die Argumentation der DB Telematik, desto höher steigen auch die Kosten.
Manfred Kloiber: Und was bedeutet das für die Praxis?
Claudia Sanders: Seit gut elf Jahren wird jetzt darüber debattiert, dass der digitale Polizeifunk kommen soll. Und da sich darüber alle auch einig sind bedeutet das im Umkehrschluss: der jetzt noch existierende analoge Funk wird kaum mehr gepflegt, in einem entsprechenden desolatem Zustand ist er. Das Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz ihre privaten Handys benutzen müssen, weil die Kapazität des analogen Funks nicht ausreicht ist mittlerweile an der Tagesordnung – und das schon im normalen Einsatz. Man mag gar nicht darüber nachdenken, wie das aussieht, wenn es eines Tages einen unvorhergesehenen großen Einsatz geben wird …
Manfred Kloiber: Und wie geht es jetzt weiter?
Claudia Sanders: Nun bis Ende März 2007 soll der Auftrag für das Rumpfnetz an eine andere Firma vergeben werden und auf politischer Ebene gehen alle davon aus – oder sagen wir einmal – hoffen – dass der digitale Polizeifunk bis zum Jahr 2010 wie geplant tatsächlich an den Start gehen kann. Doch diese Verzögerung dürfte sich durchaus auch auf den Zeitplan auswirken. Und selbst wenn das alles nach Plan verliefe – dann wären immerhin von dem Punkt, wo man in Deutschland gesagt hat „Wir brauchen ein digitales System“ bis zu dem Moment wo das Rumpfnetz existiert rund 15 Jahre vergangen.