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Die Spur der Gene

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Für die meisten Kriminalisten ist sie ein Fortschritt, bei manchem Rechtswissenschaftler erzeugt sie einen schalen Nachgeschmack: die DNA-Analyse. Mit rund 685.000 Spuren und Personendaten ist die deutsche DNA-Analysedatei noch recht übersichtlich. In England oder den USA herrscht eine wesentlich größere Sammelwut. Trotzdem ist die DNA-Analyse nicht nur bei Datenschützern umstritten.Der Mann auf der Anklagebank in dem kargen Wiesbadener Gerichtssaal schüttelt unwillig den Kopf, rückt seine silberne Brille mit spitzen Fingern gerade. Er ist 63 Jahre alt, heißt mit Vornamen Americo. Die zwei Staatsanwältinnen schauen immer wieder zu ihm herüber, während sie die Anklageschrift vorlesen. Eine ganze Stunde brauchen sie dafür. Über 500 Einbrüche und ein Mord sollen auf das Konto von Americo gehen. Als die Polizei ihn festnimmt, schweigt er. Nennt noch nicht einmal seinen Namen.

Jeder Mensch hinterlässt Spuren, das ist nun mal so,

sagt der Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, Frank Scheulen. Flink blättert er die Seiten in dem Aktenordner um, dort, wo er die spektakulärsten Fälle abgeheftet hat: Fälle, bei denen die DNA-Analyse zum Einsatz kam. Americo alias der „Fensterbohrer“ ist ein solcher Fall.

Americo sitzt in Handschellen und Fußfesseln vor dem Richter. Aufgewachsen ist er in einer spanisch-italienischen Familie – mit einem aristokratischen Stammbaum. Nach dem Militärputsch in Uruguay von 1973 wird er verhaftet und darf aber 1979 nach Italien ausreisen.

Womit er denn den Unterhalt für sich und seine Familie verdient habe, will der Richter wissen. Der Angeklagte zuckt mit den Schultern und schweigt. Eines ist auf jeden Fall sicher: Vor nicht ganz zehn Jahren finden die Ermittler erste Spuren von Americo.

Etwa zur selben Zeit, im April 1998, wird im Bundeskriminalamt – kurz BKA – die so genannte „DNA-Analysedatei“ eingerichtet. Jede in Deutschland ermittelte DNA-Spur leiten die Bundesländer weiter, bevor sie schließlich in der Analysedatei gespeichert wird, sagt Sabine Link. Sie ist Gruppenleiterin beim BKA und zuständig für die Datenbank.

Aktuell haben wir mehr als 685.000 Datensätze in der Datei, davon sind etwa 132.000 Tatzusammenhänge, also Spurentreffer und über 550.000 Personen.

Datenschützer schaudert es angesichts dieser Zahlen – sie befürchten, dass früher oder später ein Missbrauch mit diesen Daten geschehen könne. Sabine Link freilich sieht das anders: Eine Revolution in der Kriminalistik, ein Quantensprung sei die Datenbank:

Also, wir haben insgesamt mittlerweile 66.000 Treffer erzielt, davon 16.000 bei denen Tatzusammenhänge festgestellt worden sind, das heißt eine Spur ist identisch ausgeformelt worden mit einer anderen Spur von einem anderen Tatort und wir haben mehr als 50.000 Spur-Personen-Treffer, das heißt es ist tatsächlich eine Straftat aufgeklärt worden. Und in Quote umgerechnet heißt das, dass etwa jede dritte Spur mittlerweile auf eine Person trifft, das heißt eine Aufklärungsquote von mehr als 30 Prozent.

Während die Kriminalistin stolz auf die Erfolge der Datenbank verweist, sitzt nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt Americo auf der Anklagebank im Wiesbadener Landgericht. Als er seine Einbruchsserie begann, werden noch keine DNA-Spuren gesammelt – auf jeden Fall nicht von den Delikten, die Americo anfangs verübte. Denn erst durften die Ermittler nur bei Kapitalverbrechen wie Mord und Sexualdelikten DNA-Profile erstellen lassen. Und so ging Americo ganz unbekümmert bei seinen Beutezügen vor: Er bohrte die Fensterrahmen auf, schlich in die Wohnungen und bediente sich dabei auch schon einmal gerne am Kühlschrank: Aß in aller Seelenruhe, bevor er alle wertvollen Gegenständen einsammelte und verschwand. Seit drei Jahren allerdings können die Ermittler auch in solchen Fällen Tatortspuren auf DNA hin analysieren lassen – da der Straftatenkatalog deutlich erweitert worden ist:

Er ist ja erweitert worden, seit 2005, und zwar aus unserer Sicht in sehr sinnvoller Weise, in dem man gesagt hat neben den erheblichen Straftaten und den Sexualstraftaten ist es auch dann möglich Delikte einzustellen, wenn sie wiederholt, serienmäßig begangen worden sind und in ihrer Gesamtschau eigentlich auch eine Erheblichkkeitsschwelle überschreiten, so dass man sagt: Jetzt kann man sie einstellen.

Kritiker standen dieser Erweiterung skeptisch gegenüber: Sie befürchteten, dass das eine „Sammelwut“ der Behörden auslösen würde. Mit rund 685.000 Spuren und Personendaten in der DNA-Analysedatei ist die deutsche Datenbank noch relativ „überschaubar“ – zumindest im internationalen Vergleich: In den USA sind gut vier Millionen DNA-Profile gespeichert, in Großbritannien sind es etwa drei Millionen. Doch im Verhältnis dazu ist die deutsche Datei dafür in den vergangenen Jahren umso sprunghafter angewachsen:

Waren nach sechs Jahre DNA-Analysedatei im Jahr 2004 rund 300.000 Datensätze gespeichert – sind es jetzt, vier Jahre später, schon mehr als doppelt so viele. Grund dafür ist die Erweiterung des Straftatenkataloges seit 2005: Seitdem muss kein Richter mehr die DNA-Analyse genehmigen und selbst bei wiederholten Ladendiebstählen dürfen nun DNA-Spuren gesichert und verwertet werden.

Mit dem Start der bundesweiten deutschen Analysedatei beginnen die Kriminalisten alte Aktenordner zu entstauben und ungelöste Mordfälle wieder hervorzuholen. Aus der Asservatenkammer werden Tatwerkzeuge oder Kleidungsstücke von Opfern hervorgeholt und zu Wissenschaftlern gebracht. Dr. Frank Tschentscher ist einer von ihnen. Das Labor des Biochemikers ist im Düsseldorfer Landeskriminalamt. Vor ihm auf den Tisch liegen einzelne DIN A 4 Blätter, pro Fall ein Blatt. Mehr Angaben bekommt der Wissenschaftler nicht, wenn er sich auf die Suche nach den DNA-Spuren macht.

Grundsätzlich sind viele DNA-Spuren in Anführungsstrichen schön für uns, weil aus einer Mischspur, kann man teilweise sehr viel herauslesen. Aber die Standardspur sind Spermaspuren, Blutspuren oder Speichelspuren. Das sind so Spuren wo man sehr viel reines DNA-Material erwarten kann und ich sag mal so, dass sind dann die einfachen und guten Spuren.

Je nach Fall können bis zu mehrere Hundert Asservate auf dem Labortisch von Frank Tschentscher landen. Das sei zwar eher die Ausnahme, aber eben auch möglich, sagt er. Dann nimmt er jedes Stück genau unter die Lupe:

Ganz wichtig ist natürlich, dass wir unabhängig sind. Also wir hier als Sachverständige für DNA-Analysen sind nicht die Ermittler. Meine Aufgabe ist es ganz klar neutral diese Asservate und Spuren zu begutachten und nachher ein unabhängiges Gutachten zu verfassen.

Ob es denn auch Spuren gäbe, an denen sich so leicht keine DNA mehr feststellen lasse? Der Wissenschaftler lächelt: Er wolle nun nicht gerade Tipps geben, damit potentielle Täter wüssten, wie sie Spuren verwischen könnten. Das sei ohnehin fast unmöglich, da die Technik mittlerweile sehr ausgefeilt sei:

Wenn natürlich jetzt das Material zum Beispiel sehr alt ist, wir bekommen auch hin und wieder Knochen, wo kein Mensch weiß wie lange sie gelegen haben. Die können 100 Jahre gelegen haben oder die können auch aus dem Mittelalter stammen, das kann man so auf dem ersten Blick auch nicht entscheiden. Da ist irgendwann auch meist durch schlechte Lagerungsbedingungen oder auch durch die lange Zeit die DNA doch so sehr zerstört, dass nichts mehr herauszuholen ist.

Blut, Schweiß, Sperma, Speichel, Hautzellen: Einem Täter ist es kaum möglich keine Spur zu hinterlassen. Und Americo gehört zu denen, der den Ermittlern viele „gute Spuren“ hinterlässt wie etwa weggeworfene Zigarettenkippen oder benutzte Trinkgläser. Auch Dr. Frank Tschentscher hat schließlich DNA von Americo unterm Mikroskop liegen. Denn in fast ganz Deutschland hat der Angeklagte seine Raubzüge unternommen: Immer in noblen Wohngegenden – da wo viel zu holen ist.

Eines Tages bricht er in das Haus eines 39-Jährigen Hamburger Immobilienmaklers ein. Der Hausbesitzer erwischt den Täter und will ihn verfolgen. Da wird aus dem Einbrecher ein Mörder: Mit einem aufgesetzten Schuss tötet er den Mann. Die Kleidung des Opfers kommt ins Labor.

Das Hemd kommt ins Labor, es wird auf den Labortisch gelegt, es wird abgesucht. Es müssen ja nicht gleich nicht ganz große Blutspuren sein, es können ja auch ganz kleine sein, wird eingehend per Auge oder Lupe abgesucht, die vermeintliche Blutspur kann mit einem biochemischen Test wirklich auch noch als Blut klassifiziert werden, dann wird dieses Stück herausgeschnitten, wo die Blutspur ist und mit bestimmten Chemikalien das Erbgut heraus gelöst und dann in weiteren Analyseschritten das DNA-Identifizierungsmuster bestimmt.

Selbst winzige Blutspuren lassen sich im Labor noch sichtbar machen:

Da ist eine Testreagenz drin die beim vorliegen von Blut blau wird. Das kann man sofort sehen, da ist dieser kleine Teststreifen, und da wo Blut ist, wird ein richtig großer, blauer Fleck entstehen.

Theoretisch könnte der Wissenschaftler nicht nur das reine DNA-Profil sichtbar machen, sondern auch die speziellen genetischen Veranlagungen des Menschen. Theoretisch. In der Praxis ist das in Deutschland untersagt.

Grundsätzlich untersuchen wir die Bereiche, die nicht für Gene zuständig sind. Also sagen wir mal so, es ist ein großer Bereich, der größte Bereich sogar, ich will mich da nicht auf Zahlen festlegen, da streiten sich eh die Gelehrten drüber, aber ich sag mal 95 Prozent der DNA ist eben kein Gen-Bereich, unsere Gene sind ja für unsere Körperfunktionen notwenig, überhaupt den Aufbau des Körper, aber genau diese wird ausgeschlossen.

Doch Kritiker befürchten, dass da, wo es möglich ist viele Daten herauszufiltern, früher oder später auch Begehrlichkeiten bei den Ermittlungsbehörden entstehen könnten. Da wo Daten gesammelt werden, werden sie früher oder später auch missbräuchlich verwendet, betonen Datenschützer – und das nicht erst seit dem Telekomskandal. Zumal DNA-Profile international begehrt sind – besonders wenn es darum geht diese Daten untereinander auszutauschen. Sabine Link vom Bundeskriminalamt:

Wir haben seit dem Vertrag von Prüm, der im Jahr 2005 geschlossen worden ist, die Möglichkeit eines so genannten automatisierten Abgleichs, das bedeutet, das man anonymisiert zunächst, dass man einen Treffer in einem anderen Staat gelandet hat und über die Rechtshilfe dann entsprechend die Personalien dieses Treffers dann erfahren kann. Wir haben das im Moment im Bereich der DNA-Analyse im Wirkbetrieb mit Österreich, Luxemburg und Spanien.

Und nach Vorbild des Prümer Vertrages möchten noch andere Länder mit Deutschland zusammenarbeiten – die USA beispielsweise. Sie wollen deutsche DNA-Profile vergleichen und abspeichern – soweit vorhanden. Ein gefährliches Unterfangen, findet der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Denn die US-Datenschutzgesetze gelten nur für amerikanische Bürger und nicht für Ausländer. Einem Missbrauch der gespeicherten DNA-Profile sei damit Tür und Tor geöffnet, befürchtet er. Doch diese Argumentation kann Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nicht beeindrucken. Im März unterzeichnete er ein Abkommen unter anderem zum Abgleich von DNA-Profilen mit den USA. Vor wenigen Tagen wurde dieses Abkommen – trotz massiver Kritik – vom Bundeskabinett bestätigt. Alsbald sollen dann auch die Europäer untereinander besser DNA-Profile austauschen können:

Ich denke auf nationaler Ebene ist die Entwicklung jetzt soweit voran geschritten, dass wir da auf einem sehr guten Stand sind. Es gab die Initiativen auf internationaler Ebene, und ich denke das wird auch der Schwerpunkt in den nächsten Jahren sein, dass das weiter ausgeweitet wird, dass wir eben über den Wirkbetrieb mit den vier Staaten hinaus auf weitere Staaten ausdehnen können, denn da wird es sicherlich zu einer erheblichen Zunahme von Treffern kommen.

Möglichst alle 27 europäischen Länder sollen einen entsprechenden Vertrag ratifizieren, damit der Abgleich von DNA-Profilen unproblematisch und automatisiert möglich ist. Schließlich, so die Kriminalistin Sabine Link, seien jetzt schon große Erfolge beim Austausch mit einzelnen Ländern zu verzeichnen.

Also, wir haben allein seit dem Wirkbetrieb mit Österreich und der läuft seit Ende 2006, fast 3500 Treffer mit Österreich.

Auch Americo gehört zu diesen Fällen. Der 63-Jährige beschränkte seine Raubzüge nämlich nicht nur auf Deutschland – sondern auch in Österreich, Italien und in den Niederlanden bricht er in Häuser ein, schießt sofort, wenn er ertappt wird. Mindestens 500 Einbrüche gehen europaweit auf sein Konto, vermuten die Ermittler – und das alles um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren.

Doch diesen Vorwurf, will der Angeklagte nicht auf sich sitzen lassen. Er sei schließlich Sozialist, er liebe Menschen und er habe immer alles geteilt, was er habe. Der Vorsitzende Richter und die beiden Staatsanwältinnen nehmen das ungerührt zur Kenntnis. Denn gerade Americos an allen Tatorten anzutreffenden DNA-Spuren sprechen da eine ganz andere Sprache. Und was sonst auch möglich ist, ist für Americo offenbar ausgeschlossen: Dass die DNA-Spuren ihn entlasten könnten. Dr. Frank Tschentscher von Landeskriminalamt Düsseldorf:

Mein schönster Fall in Anführungsstrichen ist der, als ich einen Beschuldigten, der schon längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen hat, entlasten konnte durch meine Analyse. Also in einem Fall war er schon einschlägig vorbestraft und in diesem Fall sprachen schon einige Dinge für ihn, die DNA-Untersuchung der ersten Analyse, da gab es nur Teilergebnisse und durch eine weitere Untersuchung und eine Nachanalyse konnte man nachweisen, das war nicht seine DNA.

Es ist das Hauptargument der Befürworter der bundesweiten DNA-Analyse-Datei, dass mittels dieser Technik Unschuldige entlastet werden können. Allein in den USA habe es schon 200 Fälle gegeben, wo Verurteilte durch einen späteren DNA-Test wieder auf freien Fuß gekommen seien, weil dadurch ihre Unschuld hätte belegt werden können. BKA-Chef Jörg Ziercke formuliert das so:

Das ist eine Revolution für die Kriminalistik im 21. Jahrhundert, dass wir Tatverdächtige identifizieren können, dass wir Unverdächtige entlasten können.

Unverdächtige entlasten? Das erzeugt bei manchem Rechtswissenschaftler einen schalen Nachgeschmack. Hierzulande gilt schließlich die Unschuldsvermutung: Müssen die Ermittlungsbehörden belegen, dass jemand eine Tat begangen hat – und nicht umgekehrt. Doch auch wegen der DNA-Analysedatei verändern sich schleichend die Verhältnisse. Plötzlich wirkt jeder verdächtig der beispielsweise nicht bereit ist, an einem DNA-Massentest teilzunehmen – obwohl das sein gutes Recht ist. Die Unschuldsvermutung wird ausgehöhlt, ein grundlegendes Prinzip unseres Rechtsstaates verwässert, befürchten die Experten.
Aber in der Mehrzahl der Fälle, sind die DNA-Spuren eindeutig – und belegen keine Unschuld, sondern eine Straftat. Frank Scheulen vom LKA Düsseldorf:

Es gibt Spuren die kann eine Person nur dann hinterlassen, wenn sie im ganz, ganz engen Kontakt mit dem Opfer war und wenn diese Person in der Vernehmung dann sagt: Ich habe diesen Tatort nie betreten und wir finden aber am Opfer in ganz enger Umgebung des Opfers Spuren mit seiner DNA, dann ist natürlich erwiesen, dass er doch an diesem Tatort aufhältlich war. Und dann ist es wie gesagt die Aufgabe der Ermittler vor Ort diese Widersprüche zu klären und das Verfahren beweiskräftig zu Ende zu führen.

Dennoch, eine DNA-Spur alleine reicht nicht aus, um jemanden zu verurteilen, sagt Sabine Link vom Bundeskriminalamt:

Die DNA-Analyse ermöglicht nur festzustellen, eine Verbindung einen Identität zwischen einer Spur und einer Person oder einer Spur und einer Spur, das heißt noch lange nicht, dass das tatsächlich ein eindeutiger Beweis ist. Die DNA-Analyse alleine ist sowieso nie das alleinige Beweismittel, sondern da kommen kriminalistische Ermittlungen dazu, da kommen Personenbeweise, da kommen andere Sachbeweise dazu, beispielsweise Werkzeugspuren, Fingerabdrücke, was auch immer, und nur in der Gesamtschau kann ich dann letztlich beurteilen: Ist das der Täter oder ist er es nicht?

Wie viele Verurteilungen es nun genau auf Grund der DNA-Analyse-Datei bisher in Deutschland gegeben hat, das weiß auch Sabine Link nicht – die Statistiken der Justiz und der Ermittlungsbehörden werden daraufhin nicht überprüft. Ob die DNA-Analysedatei also tatsächlich so erfolgreich ist, wie die Ermittler behaupten, lässt sich kaum nachprüfen.

Jetzt – nach zehn Jahren – müssen auch die ersten Datensätze wieder vernichtet werden. Allerdings nur, wenn derjenige, dessen Daten gespeichert sind, nicht noch einmal auffällig geworden ist – dann dürfen die Daten weiter im System bleiben.

Es ist ein heißer Junitag im vergangenen Jahr, als Americo auf frischer Tat von den Ermittlern in Wiesbaden verhaftet wird. Nicht seine DNA-Spuren haben ihn letztlich verraten, sondern akribische polizeiliche, ganz herkömmliche Ermittlungsarbeit. Eine Sonderkommission hatte sich an seine Fersen geheftet. Nicht eine Silbe sagt er, verschweigt seine Identität – doch die kann anhand eines Fingerabdrucks aus Rom schnell aufgeklärt werden. Aufgrund der DNA-Spuren können ihm eine ganze Reihe von Straftaten zugeordnet werden.

Jetzt, auf der Anklagebank, ist Americo viel gesprächiger. „Man sah mich immer in der Nähe von Ärzten, Richtern, Philosophen und Arbeitern“, sagt er während der Verhandlung. Und beklagt sich zu gleich darüber, dass er nun im Gefängnis seine Zelle mit Drogendealern teilen müsse. Doch daran wird sich der 63-Jährige wohl gewöhnen müssen. Vor kurzem wurde er vom Wiesbadener Landgericht verurteilt: Zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.